Neuanfang mit Syriza?

John Milios

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Jannis Milios, Chefökonom der griechischen Partei Syriza, über die Krise der EU, Oligarchen und notwendige Bündnisse der Linken

Herr Milios, derzeit führt die griechische Linkspartei Syriza die Umfragen für die kommenden Wahlen an. Was würde ein Sieg Ihrer Partei denn für Griechenland und für Europa bedeuten?

Es würde einen Politikwechsel bedeuten, der die Gesellschaft wahrhaft stabilisiert. Die Mehrheit der Gesellschaft bekommt eine Stimme. Und wir werden die Wirtschaft wieder in Gang bringen, mit dem Klima eines Aufbruchs.

Nun sind Sie ja Ökonom – und derzeit gibt es eine Diskussion über einen Schuldenschnitt für Griechenland. Was erhoffen Sie sich von diesem Schuldenschnitt?

Das Geld muss ins Wachstum, anstatt diese enormen Primärüberschüsse an die Gläubigerbanken zu zahlen. Unser Staat ist in einer solch tragischen Situation, dass wir eine Restrukturierung der Schulden brauchen. Es gibt technische Lösungen, die auch die Steuerzahler der anderen europäischen Länder schützen können und Geldtransfers von einem Land in das andere vermeiden können. Dabei sollte die EZB eine aktivere Rolle im Schuldenproblem in ganz Europa spielen.

Aber die strukturellen Probleme der europäischen Ökonomie, der Wirtschaftsordnung der Europäischen Union wären dadurch ja nicht gelöst, sie würden dadurch nicht verändert.

Europa ist aktuell in einer sehr ernsten Krise. Wir haben Deflation, nicht nur in Griechenland, sondern in mehreren Ländern. Dazu Stagnation an der Schwelle zur Rezession. So kann Europa nicht weitermachen. Wir brauchen ein anderes Modell. Wir müssen das Europäische Sozialmodell, den Wohlfahrtsstaat fördern und müssen die Wirtschaft durch Realinvestitionen ankurbeln, die Zukunftstechnologien fördern. Was wir nicht brauchen ist zum Beispiel ein Wettlauf um niedrigere Löhne.

Herr Milios, welche Möglichkeiten sehen Sie, welche Möglichkeiten sieht Syriza für Wirtschaftsbündnisse außerhalb der Europäischen Union, etwa in den BRICS-Staaten.

Selbst größte Akteure der internationalen Wirtschaft sind sehr besorgt über die Folgen der Austeritätspolitik in Europa, welche das Wachstum abwürgt. Sie sorgen sich sogar echt um die Stabilität der Weltwirtschaft. Ich bin mir also sicher, dass wir Verbündete im privaten Sektor finden werden, aber genauso im öffentlichen Sektor, auf anderen Kontinenten sowie in Europa.

Die Europäische Zentralbank droht im Moment ja offen damit, weitere Zahlungen, weitere Leistungen zurückzuhalten, wenn Syriza ihre Wahlversprechen umsetzt. Welchen Handlungsspielraum haben Sie denn überhaupt?

Wir werden nach den Wahlen mit unseren europäischen Partnern und der Europäischen Zentralbank in Verhandlungen gehen, wenn wir eine Syriza-Regierung haben und sich das wirtschaftliche Klima stabilisiert hat. Wir sind sicher, dass wir eine Einigung erzielen werden, die vorteilhaft für die meisten Beteiligten ist.

In Griechenland wird im Zusammenhang mit der Krise sehr viel über die Europäische Union gesprochen und auch über die deutsche Rolle. Haben Sie nicht aber auch ein Problem mit der eigenen Oligarchie?

Ja, das ist unser Hauptproblem. Wir haben längst einen Staat, der plan- und wirkungslos ist. Und das hängt mit Korruption zusammen und einigen Privilegien, die Teile der griechischen Oligarchie über Jahrzehnte etabliert haben. Wir sind Besonders schlimm in Bezug auf dieses System der Korruption und des Klientelismus. Wir wollen das alles ändern in eine Richtung, die mehr Transparenz, Demokratie und Wachstum bedeutet.

Transparenz, Demokratie, ein Schuldenschnitt – all das wird im Moment ja aber auch von neoliberalen Akteuren in der Europäischen Union unterstützt. Verunsichert Sie es, dass Sie nun auch von dieser Seite Zuspruch bekommen?

Wir wissen, dass es in der Europäischen Union Stimmen gibt, die den Kurs wechseln wollen und die wissen, dass wir auf diese Weise nicht weitermachen können. Wir werden jede Partnerschaft, jede Allianz dazu nutzen, um die Interessen der griechischen und der europäischen Bevölkerung zu unterstützen. Wir sind davon überzeugt, dass wir für die Rechte der sozialen Mehrheit kämpfen. Und das ist wichtig. Nicht nur für Griechenland, sondern auch für die anderen Völker des Kontinents.

Interview: Harald Neuber

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